Hi! Ich bin´s Lisa. Mein Vater besitzt einen Zoo. Aber nur einen kleinen.
Am Anfang dachte ich ja immer, das sei Tierquälerei, aber jetzt weiß ich es
besser: Der Zoo ist nicht nur dazu da, dass wilde Tiere gefangen gehalten
werden und alle Leute sie angucken können, sondern auch weil viele Tiere
vom Aussterben bedroht sind.
Der Schimpanse, der große Ameisenbär und eben der Königstiger zum
Beispiel. Diesen Tieren will der Zoo helfen. Wir bekommen Tiere (vor
allem eben Tiere der roten Liste) geliefert. Wir haben sogar ein eigenes
Safari- Team, das wilde Tiere wieder freilässt. Leider kommt es sehr selten
zum Einsatz, denn wir haben eben doch nur einen kleinen Zoo. Außerdem
muss man ja erst mal genügend Tiere dieser Art haben, und das betreffende
Tier lang, aufwändig und gut auf die Wildnis vorbereiten, denn sonst nützt
der ganze Aufwand gar nichts und das Tier stirbt, womit der Natur auch
nicht geholfen ist.
Um die Tiere, die wir bekommen, kümmern wir uns dann. In erster Linie
versuchen wir natürlich eine artgerechte Haltung mit möglichst natürlicher
Umgebung und großem Freigehege auf die Beine zu stellen. Aber es bleibt
eben immer, auch bei ewiger Anstrengung, ein gewaltiger Unterschied
zwischen der Natur und dem Zoo. Nun wollen wir aber ja verhindern, dass
diese Tiere aussterben. Daher versuchen wir die Tiere zu paaren. Das klingt
zwar einfach, ist es aber gar nicht, denn nicht jedes Tier lässt sich mit jedem
Tier paaren. Es gehört immer ein bisschen Glück, viel Geduld und eine
Menge Tierwissen dazu.
Mein Lieblingstier ist der Tiger Tigerlilli, der im Raubtierhaus wohnt, doch
halt, ich bin schon mitten drin in der Geschichte. Also, schön von vorn und
der Reihe nach.
Eines Tages, es war der letzte Schultag vor den großen Ferien, saßen wir
alle (mit ?wir alle? sind Mama und Papa, mein großer, nerviger Bruder Kai,
der gerade 14 geworden ist, und ich gemeint) im Schlafanzug am
Frühstückstisch und aßen, als das Telefon klingelte. Ich und Kai sprangen
gleichzeitig auf, um es zu holen. Doch ich war schneller beim Telefon als
er, da Kai erst einmal um den ganzen Tisch herumlaufen musste.
Triumphierend kam ich mit dem Telefon zurück und grinste Kai frech an. Er
zog eine Grimasse, während ich Papa das Telefon gab und mich zurück in
den Stuhl plumpsen ließ.
?Hier Thomas Kurz?, meldete er sich, und stellte das Telefon auf laut, damit
wir alle mithören konnten. ?Hallo?, sagte eine hörbar aufgeregte Stimme.
?Hier spricht der Tierpfleger Herrmann. Ich bin die ganze Nacht bei der
Tigerdame Katze gewesen, wegen den Tigerbabys. Sie sind da! Der Tierarzt
meint, sie sind gesund! Komm bitte schnell!?
?Wirklich? Das ist ja super! Die ersten Tigerbabys in diesem Zoo! Das ist
ein echter Erfolg! Ich komme sofort! Bis dann!? ?Ja, ich bin ganz deiner
Meinung! Tschüs!?
?Die Tigerbabys ist da?!? Fragte ich kaum hatte er aufgelegt.
?Ja! Und wenn ihr euch beeilt, nehme ich euch mit in den Zoo?, sagte Papa,
selbst ganz aus dem Häuschen.
Und wie wir uns beeilten! Ich glaube ich habe mich noch nie so schnell
angezogen, als mir plötzlich einfiel, dass wir ja noch Schule hatten! ?Papa?,
schrie ich durchs ganze Haus. ?Was ist mit der Schule??
?Am letzten Schultag lernt man doch eh nichts mehr. Mama schreibt euch
eine Entschuldigung.? Da freute ich mich noch mehr, denn wann darf man
schon so ganz ohne Krankheit Schule schwänzen? Schließlich stiegen Papa,
Kai und ich ins Auto. Mama wollte zu Hause bleiben und bügeln. Ein
armseliges Leben so als Mutter. Den ganzen Tag nichts als Arbeit. Das ist
der Grund, warum ich noch nicht genau weis, ob ich mal Kinder haben
möchte.
Papa fuhr viel zu schnell. Das war ein Zeichen dafür, dass er aufgeregt war.
Bei Dunkelgelb raste er unter einer Ampel durch. ?Papa, wenn du so weiter
fährst, und man dich blitzt, bist du deinen Führerschein los?, sagte Kai und
kaute nervös auf seinen Fingernägeln herum. Das tat er sonst schon lange
nicht mehr.
Als wir endlich, nach Stunden, so kam es mir vor, im Zoo vor dem
Raubtierhaus standen, hörten wir aufgeregtes Getuschel. Papa fuhr sich
durch´s Haar, atmete tief durch, rückte sich die Krawatte zurecht, und trat
ein. Kai und ich kamen etwas langsamer hinterher. Wir mussten kaum fünf
Schritte machen, da sahen wir sie schon: vier kleine Tiger. Sie hatten ein
kuscheliges Fell, das schon gestreift war. Die Tür in dem Gitter, das die
Absperrung zwischen den Käfigen der Raubtiere und dem Gang bildete, auf
dem tagein, tagaus die Zoobesucher entlang spazierten und die Tiere
anglotzten, war nur angelehnt, und ehe Papa uns aufhalten konnte,
schlüpften Kai und ich durch die Tür. Drinnen waren einige Tierpfleger,
unter anderem auch Tierpfleger Herrmann, der uns die frohe Botschaft
gebracht hatte, und der Tierarzt. ?Guten Tag, Herr Kurz. Die Tigerbabys
sind alle gesund. Gerade habe ich Katze untersucht. Auch sie ist wohlauf.?
Papa begutachtete die Kleinen und folgte schließlich dem Tierarzt und zwei
weiteren Tierpflegern ins Büro. Jetzt waren nur noch Kai, Tierpfleger
Herrmann und ich im Raubtierhaus. Wir konnten die Tiger, die, wie mir erst
jetzt auffiel, in einen extra Käfig gebracht worden waren, streicheln und mit
ihnen spielen wie mit jungen Katzen, da die stolze Mutter Katze noch von
der Narkose und von der Untersuchung betäubt war. ?Wenn ihr wollt, könnt
ihr ihnen Namen geben?, sagte Tierpfleger Herrmann. ?Sonst tut es ja
keiner, und es heißt ja, dass Kinder soviel Fantasie haben.? ?Au ja!?, riefen
wir wie aus einem Munde. ?Der große da, der die ganze Zeit herum brummt
soll Darth Vader heißen!?, brüllte Kai vor Begeisterung.
?Auf so eine dumme Idee kannst auch nur du kommen?, meinte ich
vorwurfsvoll. ?Außerdem ist das ein Mädchen?, brummte Tierpfleger
Herrmann und musste grinsen. ?Dann soll sie Tigerlilli heißen?, sagte ich
bestimmt. ?Na, gut?, gab Kai nach. ?Aber ein Junge soll Darth Vader
heißen!? So gaben wir allen Tigerbabys Namen. Am Ende hießen sie (es
waren übrigens drei Männchen und ein Weibchen): Tigerlilli, Harry Potter,
Darth Vader und Kater (Kommentar von Kai zu diesem Namen: ?Wie
langweilig, so was können sich auch nur Mädchen wie du ausdenken!?).
Mein Lieblingstiger ist seitdem Tigerlilli. Und ich bin die einzige, von der
sie sich widerstandslos streicheln lässt.
Anja Popp
11 Jahre alt, aus Aalen in Deutschland. Ihre Hobbys: Sport, Lesen und Freundinnen
treffen