Elterninformationen zu Dreimonatskoliken

"Als das Baby hörte, wie Lukas vor sich hin grollte, begann es zu weinen. Es war ja noch viel zu klein, um irgendetwas zu verstehen, und glaubte, es würde ausgeschimpft. Außerdem war es auch erschrocken vor dem großen schwarzen Gesicht von Lukas, denn es wusste ja noch nicht, dass es selber auch ein schwarzes Gesicht hatte."
Michael Ende, Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jeder kleine Säugling schreit. Wenn Babys schreien, ohne hungrig, überhitzt oder krank zu sein, wird dies als Dreimonatskolik bezeichnet. Dies kommt bei etwa 10 % der jungen Säuglinge vor. Obwohl niemand die Ursache genau kennt, scheinen sensible Kinder hierfür empfänglicher zu sein. Die "Koliken" werden nicht durch Fehler im Umgang mit dem Baby hervorgerufen, machen Sie sich also keine Vorwürfe. Natürlich belastet anhaltendes Schreien die Beziehung zwischen Kindern und Eltern, sodass in vielen Fällen eine psychologische Betreuung der Eltern hilfreich ist.

Die Schreiattacken haben meist nichts mit Gasbildung im Darm oder Bauchschmerzen zu tun, auch wenn die Beobachtung des Verhaltens der Kinder daran denken lässt. Die Härte des Bauches erklärt sich dadurch, dass die Kinder zum Schreien ihre Bauchmuskulatur anspannen müssen.

Bei sehr wenigen Kindern werden Koliken durch Milcheiweißallergien bedingt. Die einzige Änderung der Ernährung, die in Studien bei einem kleinen Prozentsatz der Patienten einen Effekt hatte, war die kuhmilchfreie Kost. Bei gestillten Kindern gelingt dies durch eine Diät der Mutter, sonst durch spezielle Nahrungen (Hydrolysatmilch) ohne intaktes Protein.
Lassen Sie sich in diesem Punkt von uns beraten und beginnen Sie eine Diät nicht eigenständig.

Umstritten ist die Bedeutung des Kiss-Syndroms (Kopfgelenk-induzierte Symmetriestörung). Vermutet werden Schmerzen aus dem Bereich der Halswirbelsäule durch Verschiebungen unter der Geburt. Einige Ärzte wenden manualtherapeutische Verfahren an. Auch wenn diese bei einigen Kindern verblüffende Erfolge gezeigt haben, steht der wissenschaftliche Beweis dieses Zusammenhangs aus.

Das Schreien bessert sich typischerweise ab dem 2. Monat und verschwindet mit dem 4. Monat fast ganz. Auch wenn durch Behandlung das Schreien nie ganz komplett vermindert werden kann, vermindert sich die Zeitdauer des Schreiens durch die unten angeführten Maßnahmen dramatisch. Kinder mit Dreimonatskoliken sind später meist sensibel und sehr aufmerksam für ihre Umgebung

Schütteln Sie ihr Baby nie, wenn sie das Schreien nicht mehr ertragen können. Schütteln kann zu schwersten, lebenslangen Behinderungen durch Hirnblutungen führen. Wenn Sie das Gefühl haben, die Kontrolle zu verlieren, verlassen Sie lieber für 5 Minuten das Zimmer, besinnen sie sich und bedenken sie die lebenslangen Folgen einer Affekthandlung.

Empfohlene Maßnahmen

Eine ruhige, langsame Bewegung ist wichtig. Sie können Ihren Säugling in den ersten 3 bis 4 Monaten nicht verwöhnen. Folgende Möglichkeiten bieten sich an:

  • Schmusen mit dem Kind im Schaukelstuhl
  • Schaukeln des Kinds in einer Wiege
  • Tragen des Kindes in einem Tragetuch
  • Ein Spaziergang mit dem Kinderwagen
  • Alles, was Sie als hilfreich erachten: ein Beruhigungssauger, ein warmes Bad, eine Massage/ Bauchmassage

Falls ihr Kind tagsüber länger als 3 Stunden ununterbrochen schläft, wecken sie es sanft auf. So werden die längeren Schlafphasen auf die Nacht verschoben. Tragen Sei ihr Kind tagsüber ausgiebig, während es nicht schreit, um sein Bedürfnis nach Reizen zu befriedigen.

Andererseits benötigt ihr Kind nicht jedes Mal beim Einschlafen engen Kontakt zu Ihnen. Wenn ihr Kind müde ist, aber nicht schreit, sollten sie es auch ohne zu schaukeln in sein Bett legen. So lernt es, selbst in den Schlaf zu finden.

Geben Sie Ihrem Kind nicht, bei jedem Schreien gleich etwas zu trinken. Bei kleinen Säuglingen benötigt der Magen etwa 2 Stunden zur Entleerung. Häufigere Fütterungen können Bauchschmerzen durch Überfütterung verursachen (Ausnahme Muttermilchernährung in den ersten 3 Wochen bis zur Bildung einer ausreichenden Milchproduktion). Kinder, die tagsüber sehr häufig gefüttert werden, gewöhnen sich diesen Essrhythmus auch für die Nacht an. Stillende Mütter sollten auf Kaffee, Milch und Cola verzichten.

Verausgaben Sie sich nicht. Versuchen Sie, tagsüber mindestens einmal zu schlafen. Bitten Sie Ihren Mann bzw. Partner oder Verwandte und Freunde um Hilfe, auch für die älteren Kinder. Nehmen Sie sich, wenn für die Kinder gesorgt ist, Zeit für sich, um den Kopf freizubekommen. Sprechen Sie mit andern über ihre widersprüchlichen Gefühle. Anhaltendes Schreien kann jeden auf Dauer zur Verzweiflung treiben.

Lassen Sie Ihr Kind sich in den Schlaf schreien, falls alle Maßnahmen unter 1 für mehr als 30 Minuten fehlschlagen. Wenn das Kind zu diesem Zeitpunkt nicht hungrig sein kann, sollten Sie das Kind zum Schlafen hinlegen. Bei manchen Kindern gehört Weinen zu den Wegen, in den Schlaf zu finden.

Falls das Schreien für mehr als 15 Minuten anhält, sollte man erneut versuchen, den Säugling zu beruhigen.

Falls Sie stillen, beenden Sie dies auf keinen Fall. Ändern Sie die Nahrung eines flaschenmilchernährten Kindes nicht ohne Rücksprache mit uns!

Beruhigungsmedikamente sollten vermieden werden. Manipulationen am Darmausgang mit dem Thermometer können zu Verletzungen führen und sollten vermieden werden. Bei Verstopfung sollten Sie wiederum mit uns Kontakt aufnehmen.

Nehmen Sie sofort Kontakt zu uns oder zur Kinderklinik auf, falls

  • Ihnen das Schreien anders als sonst und noch schmerzhafter erscheint
  • das Schreien mehr als 3 Stunden andauert
  • es Ihnen nicht gelingt, das Kind zu beruhigen
  • Sie Angst haben, Sie könnten Ihrem Kind etwas antun oder es schütteln
  • Sie Ihr Kind geschüttelt haben

Stellen sie uns das Kind zu den normalen Sprechzeiten vor, wenn

  • ihr Kind mehr als dreimal am Tag anhaltend schreit
  • das Schreien nach dem 3. Monat keine Besserungstendenz zeigt
  • gleichzeitig Durchfall, Erbrechen oder Verstopfung auftritt
  • ihr Kind nicht an Gewicht zunimmt
  • Sie andere Fragen oder Sorgen haben

Die o.g. Elterninformation wurde von Dr. Martin Classen, Leiter der kindergastroenterologischen Ambulanz am Zentralkrankenhaus Links der Weser in Bremen erstellt und ist hier mit seiner freundlichen Genehmigung veröffentlicht.