Verstopfung – Ursachen und Behandlung

"Wen ängstigt noch DU-WEISST-SCHON-WER – Ihr solltet eher Angst haben vor DU-SCHEISST-NIE-MEHR – Der Verstopfungssensation, die die Nation in Atem hält!"
Joanne K. Rowling, Harry Potter und der Halbblutprinz
 

Fragebogen zu Stuhlentleerungsproblemen

Als Verstopfung (Obstipation) bezeichnet man folgende Probleme bei der Stuhlentleerung:

  • schmerzhafte Stuhlentleerung
  • Unvermögen, bei Stuhldrang Stuhl zu entleeren
  • unvollständige Stuhlentleerung
  • seltene Stuhlentleerung : 4 oder mehr Tage ohne Stuhlentleerung

(Ausnahme: Gestillte Säuglinge jenseits des 2. Lebensmonats entleeren oft nur alle 7 Tage (bis maximal alle 14 Tage) einen (weichen) Stuhl)
 

häufige Ursachen für Verstopfung:

  • schmerzhafte oder unangenehme Erlebnisse im Zusammenhang mit der Stuhlentleerung, besonders bei Kindern im Alter von 1-4 Jahren, wenn die Kontrolle über den Schließmuskel erlernt wird. Die Kinder vermeiden solche Ereignisse und halten instinktiv den Stuhlgang zurück.
  • ungenügender Ballaststoffgehalt der Nahrung, geringe Flüssigkeitszufuhr, Hitze, wenig Bewegung
  • hoher Anteil an Milch oder Milchprodukten in der Nahrung (Milch versorgt die Kinder mit vielen Kalorien, enthält aber keine Ballaststoffe)
  • Umgebungsfaktoren (Zeitdruck, Kindergarten, Schule, Reisen)
  • Entzündungen (z.B. auch durch Streptokokken) und Einrisse im Schließmuskelbereich
  • Irritationen und Zwänge in der Lebensphase, in der die Kontrolle über den Schließmuskel erworben wird.

Unabhängig von der auslösenden Ursache setzt sich eine einmal entstandene Verstopfung weiter fort. Meist gelingt es den Kindern nicht alleine, den Teufelskreislauf zu unterbrechen. Sie benötigen unsere Hilfe. Mit Strenge und Bestrafung erreicht man nichts.

Sehr selten sind auch organische Ursachen für eine sehr hartnäckige Verstopfung verantwortlich (z.B. M. Hirschsprung= Unfähigkeit des Schließmuskels, sich zu öffnen). In Verdachtsfällen oder beim Therapieversagen empfehlen wir weitergehende Untersuchungen zum Ausschluss derartiger Erkrankungen. Daneben muss an Kuhmilchallergien, Streptokokkeninfektionen und Stoffwechselerkrankungen bei manchen Kindern als Ursache gedacht werden.

 

Video zur Verstopfung

Video 2 zur Verstopfung

Behandlung der Verstopfung

Die Umstellung der Ernährung auf eine ballaststoffreiche Kost stellt langfristig die wichtigste Maßnahme dar. Wir empfehlen:

  • viele Vollkornprodukte (Vollkornbrot, Müsli). Kein Toastbrot, keine weißen Brötchen
  • viel Obst, ggf. mit Schale (speziell Pflaumen, Birnen, Äpfel, Melone, Aprikose, Feige). Auch Dörrobst ist günstig.
  • viel Gemüse (nicht nur gekochte), reichlich Salat, Rohkost
  • Milch- und Milchprodukte stark reduzieren
  • In manchen Fällen führt auch eine Kuhmilchunverträglichkeit zur Verstopfung, weswegen bei einigen Kindern eine weitergehende Diagnostik notwendig wird. In Verdachtsfällen ist ein Versuch mit einer 3-4 wöchigen, komplett kuhmilcheiweißfreien Diät gerechtfertigt.
  • keine Schokolade, wenig Süßigkeiten
  • reichlich kalorienfreie Getränke (Mineralwasser, Tee, verdünnte Obstsäfte). Morgens ein Glas Saft auf nüchternen Magen zur Anregung der Darmtätigkeit

Beachten Sie bitte: Bei einer schwerwiegenden Obstipation reicht zu Beginn eine Änderung der Ernährung nur in seltenen Fällen aus, um das Problem zu beheben. Die Ernährung spielt aber im Langzeitverlauf die wichtigste Rolle zur Vorbeugung von Rückfällen.

  • zweimal täglich nach einer Mahlzeit für 10 Minuten auf dem Töpfchen oder Toilette sitzen, mit Kurzzeitwecker, Bilderbuch, Fußbänkchen
  • Belohnung, Lob für Erfolg

Beachten Sie bitte: Bei einer schwerwiegenden Obstipation, bei der die Kinder Angst vor der Darmentleerung haben, führt ein Zwang zum Toilettengang oft zu einer vermehrten Abwehr und bringt damit nicht voran. Vor allem bei häufigen Misserfolgen kann diese Maßnahme die Problematik verschlechtern. Eine begleitende medikamentöse Therapie ist meist erforderlich!

zur Anregung der Darmtätigkeit

In der Anfangsphase ist meist eine zusätzliche medikamentöse Therapie notwendig, bis sich die Erweiterung des Enddarmes zurückgebildet hat. Abführmittel, die anregend auf die Darmmuskulatur wirken, sind abzulehnen. Im Gegensatz dazu haben die unten aufgeführten stuhlaufweichenden Mittel auch langfristig keinen Gewöhnungseffekt. Folgende Möglichkeiten bestehen - im Einzelfall muss besprochen werden, welche medikamentöse Therapie für ihr Kind infrage kommt:

  • Zu Beginn Entleerung angestauter Stuhlmassen durch je ein Klysma an 2-3 aufeinanderfolgenden Tagen
  • Als Gleitmittel und Stuhlweicher Paraffinöl bis zu 30 ml/10 kg. Die Dosis muss je nach Wirkung angepasst werden. Gabe 1 Stunde vor oder nach den Mahlzeiten, um die Vitaminaufnahme nicht zu beeinträchtigen. Paraffinöl darf bei Kindern unter 2 Jahren und bei Spucken und Erbrechen nicht eingesetzt werden.
  • Als Stuhlweichmacher Lactulose, ein nicht verdaubarer Zucker, mit dem bekannten Milchzucker verwandt. Lactulose ist auch in der Dauertherapie völlig unschädlich und hat einen positiven Einfluss auf die Darmflora. Die Wirkung ist von einer ausrecihenden Trinkmenge abhängig. Hauptnebenwirkung können Blähungen und Bauchschmerzen sein, die bei Besserung der Verstopfung aber meist verschwinden.
  • Seit einiger Zeit wird mit sehr gutem Erfolg Macroglykol (Movicol Junior) bei den Kindern eingesetzt, bei denen die o.g. Medikamente nicht oder nicht ausreichend wirken. (0,8 g/kg)
  • Weizenkleie als Füllmittel

Wichtig ist, die Therapie und das Training ausreichen lange und konsequent durchzuführen, bis ihr Kind sich an eine normale, schmerzfreie Darmentleerung gewöhnt hat und die Weite des Enddarmes sich wieder normalisiert. Faustregel für die Dauer der Therapie: solange wie die Verstopfung schon besteht, meist 6- 12 Monate. Die Therapiemaßnahmen sollten langsam über Wochen ausgeschlichen und nie abrupt abgesetzt werden. Auf eine ballaststoffreiche Ernährung sollte sich die gesamte Familie auf Dauer umstellen. Bei erneuter Verschlechterung sollte frühzeitig reagiert werden. Der Erfolg der Behandlung muss anfangs engmaschig, später in größeren Abständen kontrolliert werden. Das Auftreten von Stuhlschmieren ist in aller Regel ein Zeichen einer Ansammlung von Stuhl im Enddarm- dann darf die Medikamentendosis nicht verringert werden.

Einrisse des Schließmuskels und Entzündungen im Enddarmbereich führen über die schmerzhafte Stuhlentleerung regelmäßig zu hartnäckiger Verstopfung. Umgekehrt führt harter Stuhl häufig zu Einrissen am After. Die Behandlung ist deshalb mehrgleisig:

  1. Entscheidend ist die Behandlung der Verstopfung, meist mit Paraffinöl
  2. Behandlung der Hautveränderungen mittels Sitzbädern oder Salbenbehandlung

Bei langandauernder Verstopfung kann es durch die Kotballen zu einer Aufweitung des Enddarmes, schließlich auch zu einer Verkürzung des Schließmuskels kommen. Stuhl, der teilweise durch Fäulnis zersetzt und flüssig wurde, kann unkontrolliert nach außen entweichen. Kindern mit langandauernder Verstopfung geht häufig auch das Gefühl für die Enddarmfüllung verloren. Die Behandlung erfolgt durch die konsequente, längerfristige Therapie der Verstopfung mittels verhaltenstherapeutischer Maßnahmen (regelmäßige Toilettensitzungen). Wichtig ist auch die anfängliche Entleerung des Enddarmes mit Klysmen. Beim Stuhlschmieren gilt: Regelmäßige Darmentleerung auf der Toilette verhindert das Stuhlschmieren , das nur bei Stuhlfüllung des Enddarmes vorkommen kann. Das Wiederauftreten von Schmieren zeigt meist eine erneute Ansammlung von Stuhl im Enddarm an. Die Therapie muss dann intensiviert werden, die Medikamente dürfen nicht abgesetzt werden.

Bitte melden Sie sich bei uns:

  • Wenn die Therapie nach 2 Wochen nicht zu reglmäßiger Stuhlentleerung führt
  • wenn die Therapie zu Durchfall führt
  • wenn ihr Kind extreme, anhaltende Schmerzen hat.
  • wenn sie andere Sorgen oder Fragen haben

Die o.g. Elterninformation wurde von Dr. Martin Classen, Leiter der gastroenterologischen Ambulanz in der Kinderklinik des Zentralkrankenhauses "Links-der-Weser" in Bremen erstellt und ist mit seiner freundlichen Genehmigung hier veröffentlicht.